Hirse. Hauptnahrungsmittel und Problem.


Koffi Annan in burkinischem Hirsefeld.
Bild von SIDWAYA.



Pflanze:
Man unterscheidet großkörnige Hirsearten (Sorgho) und kleinkörnige (Mil).  Sorgho bezeichnet in Garango Sorghum bicolor (Mohrenhirse), die weiße Variante wird für To verwendet, die rote für Dolo. Mil bezeichnet Setaria (Kolbenhirse) oder Pennisetum (Perlhirse).
Alle Hirsearten werden 2,5 bis 5 m hoch. Ihr Aufbau ähnelt dem von Mais. Die langen Stängel werden zur Herstellung von Schlafmatten, Hüttendächern aber auch zur Faserherstellung genutzt. Hirsestroh ist das Brennmaterial beim Brennen der Tongefäße.
Die Pflanze ist wärmeliebend und resistent gegen Trockenheit. Bei längeren Dürrezeiten kann Sorghum das Wachstum einstellen und bei Regen wiederaufnehmen. Ihre Wassernutzungs-Effizienz ist hoch:  277 l Wasser pro kg Trockenmasse ( Mais 349 l Sommerweizen 491 l  Kartoffeln 575 l). Sie ist jedoch empfindlich gegen Staunässe. Sie bevozugt  sandige Lehmböden  (typische Bodenart in Garango). Hirse dringt nur wenig in den Boden ein (Pflanztiefe 2-3 cm) und erfordert daher keine tiefe Bodenbearbeitung (Pflug). Auf die Beseitigung von Unkräutern muss allerdings geachtet werden. Bei angepasstem Fruchtwechsel ist sie recht resistent gegen Schädlinge. Ihre Hauptfeinde sind Heuschrecken und Vögel. Der durchschnittliche Ertrag liegt bei einer Tonne pro Hektar.
Die Pflanzen haben einen hohen Stickstoffbedarf. In Europa wird dies durch Düngung ausgeglichen, in Garango durch lange Brachezeiten. Gelegentlich erkennt man einen Kaliummangel. Die Pflanzen wirken dann schlaff und welk, ihr Ertrag ist sehr gering.  Eine Mineraldüngung  würde helfen ist aber  für die Bauern Garangos nicht bezahlbar.

Nahrungsmittel:
Der Nährwert von Hirse liegt höher als der von Reis, der Ballaststoffgehalt ist  niedriger als bei anderen Getreidearten
Hirse hat eine nachgewiesene krebshemmende Wirkung.
Die Inhaltsstoffe der Hirse schwanken stark je nach Anbaugebiet. Das Hirseeiweiß ist NICHT vollwertig, wesentliche Aminosäuren fehlen und müssen durch Eier, Milch, Käse usw. ergänzt werden. Bei Menschen die ausschließlich von Hirse leben kommt es zu Proteinmangelkrankheiten.
Überdies beobachtet man dort häufig Niacinmangel da Niacin bei Hirse an einen Proteinkomplex gebunden ist.
Beides zusammen führt zur so genannten 3-D-Symptomatik.(Dermatitis; Diarrhoe; Depression)
Rohe Hirse ist kaum verdaulich. Sie enthält Trypsin-Hemmer, die Bauchspeicheldrüse wird dadurch in ihrer Enzymtätigkeit gehindert. Die ebenfalls enthaltene Phytinsäure hemmt die Aufnahme von Kalzium, Zink und Eisen.
Durch Einweichen und Erhitzen gehen diese negativen Wirkungen weitgehend verloren.Sorghum im Hirsespeicher
In guten Jahren produzieren die Bauern Garangos etwa das 2,5 fache des eigenen Jahresbedarfs. Ein Teil der Überschüsse wird verkauft, ein anderer wird in hofeigenen Hirsespeichern gelagert  um Dürrejahre zu überbrücken.

Anbau:
Hirse benötigt je nach Sorte etwa 110 Tage bis zur Reife. Die Ernte ist nicht nur von der Niederschlagsmenge, sondern auch von der Verteilung der Niederschläge abhängig. Zu lange Trockenphasen während des Wachstums vernichten die Saat, ebenso eine Überschwemmung in dieser Zeit.
Optimal ist die Aussaat  wenn der Boden  gerade gut durchfeuchtet  ist  (mindestens  25 mm Regen binnen  5 auf einander folgenden Tagen) und  der Tag der Aussaat  selbst und der folgende Regentage sind.

Die optimalen Tage unterliegen einer starken Variabilität:

 Glaubt man der durchgezogenen Kurve, hat sich dieser
 Tag in den letzten 40 Jahren um 20 Tage nach hinten
  verschoben. Die Aussaat kann jetzt erst Ende Mai
  oder Anfang Juni beginnen. Die Ernte findet          entsprechend erst Mitte bis Ende September statt.
 Für die Zukunft werden vermehrt extreme Starkregen
 für Ende August, Anfang September (Staunässe)
 vorhergesagt.
Bild und Daten wurden übernommen von :
Patrick Laux
GLOWA International conference,
Ouaga, Aug 25-28, 2008



Problem:
Beim Anlegen eines Hirsefeldes wird der gesamte natürliche Pflanzenwuchs entfernt. Auch Bäume und Sträucher werden abgehauen, um Vögeln keinen  Unterschlupf zu gewähren.
Vor der Aussaat werden die alten Hirsewurzeln ausgegraben und zusammen mit eventuell liegengebliebenen Pflanzenresten verbrannt. Man will dadurch Hirseschädlinge, vor allem Würmer, vernichten. Nach der Aussaat  wird der Boden ständig gejätet und gelockert bis die Pflanzen eine genügende Höhe haben. Der Abstand zwischen den Pflanzen ist recht groß so, dass der Boden die meiste Zeit der Wind- als auch Wassererosion ausgesetzt ist.
Bei der Ernte werden die Pflanzen vollständig entfernt. Eine Mulchung findet nicht statt, der Boden ist der Degradation ausgesetzt.
Der schlimmste Teil der Degradation ist dabei die Bodenversiegelung durch Splash-Erosion:
Die Regenzeit in Garango ist kein mehrtägiger Landregen wie bei uns, sondern eine Folge von Starkregenereignissen. Die Tropfen sind groß, fallen schnell und tragen viel Energie. Sinkt nun der Anteil der organischen Substanz im Boden können die Bodenaggregate dem Aufprall nicht mehr standhalten. Sie werden zerstört und getrennt. Die größten Partikel, i.a. Sand, bleiben oben liegen. Außerdem werden Feinmaterial und Tone ausgeschwemmt bzw. gelöst. Das Wasser dringt in den Boden ein und setzt dieses Material etwa 5 mm tiefer wieder ab. Die oberste, grobkörnige, Schicht wird durch Wind und Wasser abgetragen und das Spiel wiederholt sich. Auf diese Weise entstehen tonige Krusten von einigen Zentimetern Dicke. Diese Krusten sind praktisch "wasserdicht". Das Wasser der nächsten Regenzeit läuft an der Oberfläche ab und befeuchtet den Boden nicht mehr.
Ein solcher Regen liefert bis zu 50 l/qm in einer halben Stunde.

Die Bauern Garangos begegnen diesem Problem durch Fruchtwechsel und lange Brachezeiten: 4 Jahre Hirse, 2 Jahre Erdnuss (bei Erdnüssen werden nur die Früchte geerntet, die Pflanze bleibt auf dem Feld), 6-8 Jahre Brache.
Dieses System erscheint jedoch durch Bevölkerungswachstum, Zuwanderung und Ausweitung der Anbauflächen aufgrund des Klimawandels gefährdet.